S. Sander-Faes: Europas habsburgisches Jahrhundert 1450–1550

Cover
Titel
Europas habsburgisches Jahrhundert 1450–1550.


Autor(en)
Sander-Faes, Stephan
Reihe
Geschichte kompakt
Erschienen
Darmstadt 2018: wbg
Anzahl Seiten
160 S.
von
Bruno Meier

In der Reihe Geschichte kompakt der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft legt der in Zürich tätige Frühneuzeithistoriker Stephan Sander-Faes einen Band unter dem Titel «Europas habsburgisches Jahrhundert» vor. Die Reihe richtet sich an Lehrende und Lernende verschiedener Stufen, aber auch an historisch Interessierte allgemein, die sich Wissen über einen Sachverhalt oder eine Epoche auf der Grundlage aktueller Forschung in kompakter Form aneignen wollen. Der Band hat denn auch in seiner Struktur ein Stück weit Lehrbuchcharakter mit Leads, Kästen, Tabellen, Zusammenfassungen sowie kapitelweisen Literaturhinweisen. Und er versucht, wie ein Schulbuch, viel Einordnendes und Ergänzendes zur an sich klaren Fragestellung hinzuzufügen. In der kurzen Form, auf 160 Seiten, bleibt so vieles Stückwerk und kann nur angetippt werden, wie zum Beispiel der allgemeine Kontext im zweiten Kapitel. Da wäre weniger manchmal mehr gewesen für die Klarheit des Haupttextes.

Der Autor nimmt die Habsburger-Dynastie beziehungsweise ihre drei prominenten Vertreter Friedrich III., Maximilian I. und Karl V. als Klammer, um damit eine Zeit zu charakterisieren, die auch als Zeitenwende (Entdeckung der Neuen Welt, Reformation, Humanismus) betrachtet werden kann, man könnte sagen, eine «Sattelzeit» avant la lettre. Ein origineller, aber durchaus nachvollziehbarer Zugang.

In einem ersten Kapitel skizziert der Autor die Situation des Hauses Österreich vor der Mitte des 15. Jahrhunderts, in der die Dynastie nach über 100 Jahren wieder die Krone des Heiligen Römischen Reichs erlangte und in der Folge auch behaupten konnte. Er diskutiert den imperialen Machtanspruch, den bereits Friedrich III. formulierte, und der über die burgundische und spanische Hochzeit schliesslich auch für Europa und letztlich auch aussereuropäisch für eine gewisse Zeit zum Tragen kam. Ein zweiter Teil nimmt die spezifischen Charakteristika der Epoche in den Fokus wie die geopolitischen Veränderungen (Vordringen der Osmanen, aussereuropäische Expansion), die intellektuellen Umbrüche (Buchdruck, Humanismus) wie auch die konfessionellen Spaltungen.

Das zweite Kapitel schildert die Situation in Europa in der Zeit um 1500, einerseits in allgemeiner Form mit Blick auf Bevölkerung, Wirtschaft, Alltag und soziale Strukturen, andererseits in Bezug auf die politischen Konturen Europas vor Ende des 15. Jahrhunderts, besonders auch zur Stellung der habsburgischen Dynastie in Bezug auf die österreichischen Erblande, die letztlich Ende des Jahrhunderts wieder in einer Hand vereinigt war.

Das dritte Kapitel nimmt die lange Regierungszeit Friedrichs III. in den Blick, die durch zahlreiche Krisen wie die Bedrohung durch die Osmanen und durch Ungarn gekennzeichnet war, die aber auch über die letztlich glückhafte Politik gegenüber Burgund die Grundlage legte für die habsburgische Expansion. Friedrichs Sohn Maximilian wird so zum «Paten» (S. 63) des habsburgischen Jahrhunderts, gelingt ihm doch auf dieser fragilen Basis nach den Burgunderkriegen der Befreiungsschlag sowohl in Flandern, in Tirol wie auch in Österreich. Und mit der spanischen Doppelhochzeit legt er die Grundlage für das kommende Imperium.

Im vierten Kapitel stehen zunächst die italienischen Kriege im Mittelpunkt und damit rückt der später so wichtige Antagonismus zu Frankreich in den Fokus. Der Erfolg Karls V. gegenüber dem französischen König Franz I. macht letztlich den Weg frei zur Königs- und späteren Kaiserwahl. Mitten in diesen Erfolg platzen quasi der Thesenanschlag Luthers und die Reformation. Die Reformation veränderte sowohl das Kräfteverhältnis im Reich wie auch innerhalb ganz Europas, das erst zum Ende der Regierungszeit Karls V. mit dem Augsburger Religionsfrieden 1555 für einige Jahrzehnte wieder stabilisiert wurde.

Das fünfte Kapitel setzt sich mit der Person von Karl V. auseinander, der für kurze Zeit die gesamte Macht über die Erblande, Burgund, Flandern, Spanien und Italien in einer Hand vereinigte, der aber auch durch die Verträge mit seinem Bruder Ferdinand I. 1521/22 bald wieder die Trennung der spanischen und der österreichischen Linie einleitete. Ferdinand seinerseits legte durch seine Ehe mit Anna von Böhmen und Ungarn die Grundlage für das zentraleuropäische Reich der Habsburger.

Das sechste Kapitel nimmt die Folgen dieser Entwicklungen in den Blick: die lang anhaltende Bedrohung durch die Osmanen, die Verflechtungen der Dynastien von Österreich, Böhmen, Ungarn und Polen sowie den Aufbruch Spaniens (und Portugals) nach Übersee mit der Eroberung und Ausbeutung der Neuen Welt.

Im Fazit des Autors begegnet der Titel des Bandes als Frage wieder: Kann man von einem habsburgischen Jahrhundert sprechen? Der Zugang über die drei Herrscherpersönlichkeiten lässt unweigerlich die Frage aufkommen, ob individuelle Handlungen, die dynastisch gesehen zielgerichtet waren, letztlich aber auch zufällig sein konnten und unbeabsichtigte Konsequenzen mit sich brachten, Grundlage sein können für eine historische Entwicklung, die die Nachgeborenen einzuordnen und zu deuten versuchen. In diesem Sinn ist das «habsburgische Jahrhundert» eine Zuschreibung, die durchaus erkenntnisfördernd sein kann, mehr aber auch nicht.

Zitierweise:
Meier, Bruno: Rezension zu: Sander-Faes, Stephan: Europas habsburgisches Jahrhundert 1450-1550, Darmstadt 2018. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 70 (1), 2020, S. 130-131. Online: <https://doi.org/10.24894/2296-6013.00054>.

Redaktion
Autor(en)
Beiträger
Zuerst veröffentlicht in
Weitere Informationen
Klassifikation
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit